1. Akt: Es lebe der Spielabend
Papa, Kind und ich sitzen gemütlich am Wohnzimmertisch. Es wird einstimmig beschlossen Monopoly zu spielen. Die STAR WARS Version wohlgemerkt. Ändert zwar nix an den Regeln, aber dafür sind die Spielfiguren nicht irgendwelche Hüte, Schuhe oder Würfel, sondern Darth Vader, Yoda und Co.
Kind beschließt, dass das Amt des Spielleiters durch es selbst bekleidet sein sollte. Papa darf die Bank machen. Mama darf und ich zitiere: „Halt mitmachen, obwohl sie ja eh immer gleich pleite ist!“ Danke Sohn, die Kunst der Motivation ist dir Gott gegeben.
Der Spielleiter-Sohn liest aufmerksam die Anleitung durch und verteilt ordnungsgemäß das Geld, aber nicht ohne mindestens dreimal zu fragen, ob man nicht einfach mehr Geld verteilen sollte als in den Regeln steht. Wir erklären ihm ganz lieb, dass Spiele nur Spaß machen, wenn man sich an die Regeln hält. Sohn macht Motzgesicht. Ok, Message nicht angekommen. Wir übergehen das einfach und siehe da – es verschwindet im Nu von selbst. Wie pädagogisch wertvoll ich mich fühle;-)
Sohn lacht wieder und posaunt lautstark heraus, dass er dieses Mal gewinnen wird, weil er lauter Städte auf seine Straßen bauen wird. (Anmerkung: Im normalen Monopoly geht´s um Häuser und Hotels, in der Star Wars-Ausgabe baut man Siedlungen und Städte.)
Mama erklärt: „Du musst erst Siedlungen bauen und dann Städte. Erst, wenn du vier Siedlungen auf jeder Straße stehen hast, kannst du Städte bauen.“
Sohn nickt, aber ich merke, er hat nicht zugehört. Egal.
Papa schweigt, denn er weiß eh, dass er uns wie immer in Grund und Boden spielen wird.
Ich weiß das auch. Nur der Sohn, der weiß es nicht.
Sohn setzt Mama und Papa derweilen in Kenntnis, dass er alle Ereignis- und Gemeinschaftskarten vorlesen wird und sonst keiner. Finden wir gut. WOW, war uns noch gar nicht klar, dass der Sohn durch Monopoly sowohl Rechnen als auch Lesen übt. Marco und ich nicken uns wohlwollend zu mit so einem Blick, der sagt: „Yeah, wir sind voll die geilen Eltern, die das Kind auf allen Ebenen spielerisch fördern.“
Ich strahle über alle Backen, denn auch wenn ich Monopoly hasse wie die Pest, weil ich tatsächlich immer die Erste bin, die pleite ist, habe ich nun die Erkenntnis gewonnen, dass es mich zu einer guten Mutter macht. Gesellschaftsspiele sind nun einmal wichtig für die Entwicklung eines Kindes. Sie lernen fürs Leben. Gemeinsames Spielen trainiert nicht nur Mathe und Lesen, sondern auch Geduld, Konzentration, sich an Regeln zu halten und den Umgang mit dem Verlieren. Es lebe der Spielabend.
2. Akt: Die Situation spitzt sich zu
Sohn ist hochmotiviert. Er würfelt um sein Leben und kommt leider gleich vier mal hintereinander auf ein Ereignis- bzw. Gemeinschaftsfeld, was ihn davon abhält Straßen zu kaufen. Papa kauft dafür in der gleichen Zeit vier Straßen, wovon zwei sogar dieselbe Farbe haben, er also kurz davor ist, darauf bauen zu können – und zwar sobald er die letzte in der Farbe passende Straße ergattert hat. Geht ja schon wieder gut los. Ich selbst kaufe wie immer völlig planlos was mir halt so über den Weg läuft. Einen intergalaktischen Sternenzerstörer, den 2. Todesstern und noch irgendwas, mit dem man am Ende keinen Blumentopf gewinnt.
Matheo hält sich wacker, obwohl er weit hinten liegt, aber noch ist ja nichts verloren Er freut sich, dass wir alle miteinander spielen, wir reden dummes Zeug und lachen viel. Ich werde von beiden Männern permanent veräppelt, dass ich sowieso die Schlechteste bin genau wie beim Autofahren, was mir aber egal ist. Noch. Ich freue mich, dass das Kind sich freut. Hach, so schön. Matheo kauft nun endlich auch ein paar Straßen und die Welt scheint in Ordnung.
„Papa, tauschst du mit mir die blaue Straße (analog Schloßalle), wenn ich dir dafür die orange und die grüne gebe?“
Mama: „In den Regeln steht, dass man Straßen erst tauschen darf, wenn alle gekauft wurden.!“
Kind: „Blöde Regeln.“
Mama: „Regeln sind wichtig – auch im richtigen Leben!“
Kind: „Ich hasse Regeln.“
Mama (geduldig): „Ach, Schatz, wenn du größer bist, wirst du einsehen, dass Regeln das Zusammenleben leichter machen.“
Kind: „Regeln sind scheiße.“
Papa: „Matheo!!!“
Mama: „Matheo, entweder du hältst dich an die Regeln oder wir hören gleich auf!“ So! (Kraaaassss, ich bin heut ein wandelnder Erziehungsberater. Innerlich Schulterklopf!)
Kind: „Das ist Erpressung!“
Mama (total kindisch): „Dann ist das eben Erpressung! Mir doch wurscht.“ (Hmh. In welchem Erziehungsberater stand das nochmal?)
Kind gibt nach. Motzgesicht. Kind würfelt 5er Pasch. Sogleich ballt er die Becker-Faust und schreit so laut freudig auf, als hätte er gehört, dass ein Jahr schulfrei ist. Er weiß noch nicht, was wir wissen.
Papa sagt: „Matheo, ein Pasch bedeutet nicht immer was Gutes.“
Matheo:“ Doch!“ Er hüpft zehn Felder vor und muss dann direkt ins Gefängnis und sogleich fliegt der erste Würfel durchs Zimmer.
Mama (wie es im Buche steht): „Schatz, dass ist doch kein Beinbruch. Du musst einfach Geld in die Mitte legen und dann bist du wieder frei! Ist mir doch auch schon passiert.“
Sohn: „Nein, das mach ich nicht!“
„Dann musst du drei Runden aussetzen!“
„Nein!“
„Doch, das sind die Regeln!“
„Ich hasse Regeln!“
„Entweder du hältst dich an die Regeln oder wir hören auf zu spielen!“
Motzgesicht!!!! Bin ich eigentlich bei „Und täglich grüßt das Murmeltier“? Boah, ich bin genervt. Was hat sich die Natur eigentlich dabei gedacht, Kinder so schwierig zu machen?
Matheo bezahlt. Papa kauft sich die dritte Straße in der gleichen Farbe und baut sogleich Unmengen von Siedlungen! Ich merke, wie sich die Situation zuspitzt. Matheo wird ganz rot im Gesicht, ist kurz vorm Platzen, aber er reißt sich zusammen. Ich erkläre nochmals, dass Regeln wichtig sind und labere das restliche Blabla und merke, dass es mich fast selber langweilt. Kind hört eh nicht zu, sondern sortiert und zählt nur wie wild sein Geld,um dann wiederholt zu sagen:
„Papa, gibst du mir jetzt die Schloßallee? Du kriegst dafür die orange und die grüne!“
Mir platzt der Kragen: „Himmel Herrgott, ist das so schwer zu kapieren, dass das nicht geht. Erst wenn alle Straßen gekauft wurden, kann man tauschen. Mann, was ist da so schwer dran? Du bist doch nicht doof!?“
(Sämtliche Erziehungsratgeber rollen mit den Augen.) Mein „Ich bin eine gute Mutter“-Gefühl schwindet, genauso wie meine Laune. Ich hasse Monopoly und ich weiß auch wieder warum. Pädagogisch wertvoll oder nicht.
„Und überhaupt, auf die blöde Schloßallee kommt sowieso nie ein Mensch, also spar dir deine Tauscherei gefälligst!“, platzt es gleich nochmals sauer aus mir raus.
„Gar nicht wahr. Wenn ich da eine Stadt baue, dann bekomme ich 8.000.“
„Bevor du eine Stadt bauen kannst, brauchst du erst vier Siedlungen und das kostet einen Haufen Geld und das hast du nicht, wenn du Papa die orange und die grüne Straße gibst, dann kann er nämlich auf beiden bauen und wenn du da drauf kommst, dann zahlst du megaviel Miete, sodass du dir keine Stadt leisten kannst!“ Aaaaaaaaaah!!!!!!!!!
„Papa, wir beide machen das schon!“ Augenzwinkern, Flüsterton.
Ich krieg gleich einen Anfall! Papa und Matheo tauschen die Karten. Das Unglück nimmt seinen Lauf…
3. Akt: Papa ist ein Arsch!
Mir schwant Böses. Matheo kommt dran. Er baut voller Euphorie zwei Siedlungen auf Parkstraße und Schloßallee und freut sich wie ein Schneekönig!
„Du weißt schon, dass auf die beiden Straßen sowieso keiner kommt, bau doch lieber auf einer anderen Straße Siedlungen, wo sie weniger kosten als hier!“, raunze ich.
„Ich krieg aber 8.000, wenn einer drauf kommt!“
„Macht aber keiner, macht nie einer!!!“, sage ich lauter als geplant.
„Ich will es aber so machen!“
Ich gebe auf. Ich würfele und komme natürlich auf eine von Marcos Straßen. Ich muss zahlen – irgendwas um die 800, was bei Monoploy Star Wars sauviel Geld ist. Wie meistens im richtigen Leben auch, habe ich das gerade nicht flüssig und muss irgendwas beleihen;-) Also nehme ich Hypotheken auf, es reicht gerade so um meine Schulden bei meinem Mann zu begleichen. Puh!
Da versucht er plötzlich nochmals mich zu überreden, ihm lieber die hellblaue und die gelbe Straße zu geben anstatt eine Hypothek auf die anderen Straßen aufzunehmen, dann könne ich das Bargeld behalten und er würde mir den Rest der Schulden erlassen.
Ich koche vor Wut! „Willst du mich veräppeln? Wenn ich dir die zwei Straßen gebe, dann baust du noch mehr und noch mehr und dann können wir´s gleich lassen! Blödes Monopoly!“, kreische ich völlig übertrieben. (Boooaaaah, was ist nur mit mir los? Kann ich mich nicht mal vor meinem eigenen Kind zusammenreißen und so tun als wäre ich ein guter Verlierer? Ich bin ein beschissener Verlierer. Schon immer. Ich hasse es, zu verlieren. Aber bei jedem anderen Spiel kann ich das irgendwie verbergen – nur nicht bei Monopoly!)
„So, jetzt bau ich gleich ´ne Stadt! Das hast jetzt davon!“, kommt trocken als Antwort von meinem Mann und schon legt er Geld (für vier Siedlungen plus den Aufpreis für eine Stadt) in die Bank und holt drei Städte raus und setzt sie auf die noch unbebaute Straßenereihe, die er eh noch in petto hat!
Ich sehe gerade noch wie Matheo die Augäpfel aus dem Gesicht springen, er heult Rotz und Wasser, hyperventiliert und flippt total aus.
Er zeigt mit zitterndem Zeigefinger auf die drei Städte und schreit laut und verzweifelt: „DU DAAHAAAARFST KEINE STADT BAUEN! DU MUSST ERST VIER SIEDLUNGEN BAUEEEEEEEEENNNNNN! HEUUUUUL!“
Papa (trocken): „Das hab ich doch gemacht, nur hab ich den Schritt übersprungen!“
Matheo heult und heult und heult, er ist nicht mehr zu beruhigen! „WO? WOOOOO? WOOOO? SIND SIE DENN DIE SIEDLUNGEN?? ICH KANN SIE NIHIIIICHT SEHEN!!!! ICH SEH NUR EINE STADT! HEUUUL!“
Ich bin völlig überfordert und brülle Marco an: „Du musst auch immer übertreiben! Das ist ein Kind. Und du musst immer den großen Macker raushängen lassen. Toll, beim Monopoly gegen einen 8-Jährigen zu gewinnen! Tolle Leistung! Man kann sich ja auch mal zurücknehmen, aber nein, du kriegst den Hals nicht voll!“
„Was denn? Erstens soll man Kinder nicht absichtlich gewinnen lassen und zweitens, so sind die Regeln!“, antwortet der Mann.
„Scheiß Regeln, steck sie dir sonst wo hin!“, sage ich wütend.
Matheo: „Der Papa ist ein Arsch!“
Mama: „Du kannst doch zum Papa nicht Arsch sagen!“
„Doch! Weil er immer alles kaufen muss und wir dann keine Chance haben! Blödes Monopoly. Ich spiel nie wieder!“
Mir recht. Bin eh total pleite. Wieder mal. Als Erste! Yeah.
Zehn Minuten später: „Papa, wenn wir das nächste Mal spielen, sind wir dann ein Team?“
„Es gibt keine Teams bei Monopoly! Wenn ihr als Team spielt, spiel ich nicht mit!“, sage ich genervt ohne Ende!
„Macht nix, Du bist ja eh immer als Erste pleite, Mama!“ Danke fürs Gespräch auch!
Was kann man tun, um einem Kind (oder der Mutter;-)) das Verlieren leichter zu machen?
Ärgern lassen
Wut über eine Niederlage ist nichts Unnormales. Mal ehrlich, wer verliert schon gern? Ärger sollte deswegen nicht unterdrückt werden, denn Erziehung bedeutet nicht, das Kind umzuändern. Im Gegenteil: das Kind sollte motiviert werden, den Ärger über die Niederlage auszuhalten und zu verarbeiten. Bloß nicht schimpfen, sondern lieber erklären, dass der Ärger verstanden wird, denn fühlt es sich missverstanden ist es noch enttäuschter. Vielleicht hilft es, für kurze Zeit das Spiel zu unterbrechen.
Spielregeln anpassen
Man muss nicht päpstlicher als der Papst sein. Spielregeln dürfen auch geändert bzw. gelockert werden, gerade dann, wenn sehr kleine Kinder mitspielen. Am besten gemeinsam überlegen, welche Regeln gelten sollten. Manchmal hilft es auch, wenn Spieler ein Team bilden und sich gegenseitig unterstützen. Geteiltes Leid ist halbes Leid.
Stress vermeiden
Wichtig ist auch die Tatsache, WANN wir mit unseren Kindern spielen, denn auch wenn Spielen Freizeitspaß brauchen Kinder ein hohes Maß an Konzentration und Aufmerksamkeit. Sind sie müde oder erschöpft, können sie die Anspannung beim Spielen nicht gut verarbreiten. Dann wird aus der berühmten Mücke ganz schnell ein Elefant.
Selbstwerfgefühl stärken
Ein gutes Selbstwertgefühl ist für jede Lebenslage wichtig. Wer genug davon hat, der kann leichter darüber hinwegsehen, wenn er mal verliert. Wichtig ist daher, dass wir unseren Kindern zeigen, wie sehr wir sie lieben, auch wenn sie mal eine Niederlage einstecken müssem. Kinder brauchen Lob! Lieber die positiven Eigenschaften hervorheben als das Kind darauf hinzueweisen, was es nicht kann. Das wissen die meisten Menschen ohnehin von selbst.
Nicht absichtlich gewinnen lassen
Ich gebe zu, ich halte mich nicht immer daran. Ab und zu kommt es vor, dass ich Matheo absichtlich gewinnen lasse, weil ich seine Enttäuschung nicht ertragen kann. Laut der meisten Erziehungsberater ist das falsch. Kinder müssen lernen, dass man im Leben auch mit Niederlagen umgehen muss. Enttäuschungen gehören nun mal zum Leben dazu. Dadurch entwickeln Kinder ihre Sozialkompetenz und lernen miteinander umzugehen. Wichtig ist aber, dass wir mit unseren Sprösslingen nur Spiele spielen, die ihrem Alter entsprechen, andernfalls bringen wir sie damit um das Gefühl, wie es ist, etwas aus eigener Kraft zu schaffen.
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