Letztes Wochenende waren wir Bergwandern.

Matheo und ich, zusammen mit einer Freundin und ihrem Sohn. Im schönen Tegernseerland parkten wir am Fuße eines kleinen Berges und marschierten los. Kurze Hose, T-Shirt, Cappy und festes Schuhwerk am Leib, Sonnencreme LSF 50 auf der Haut, Rucksack auf dem Buckel.

Über den Aufstieg selbst kann ich nur berichten, dass ich es mir romantischer vorgestellt hatte. Persönlich steige ich unheimlich gerne auf Gipfel, „Klettern Light“ (also nix da mit irgendwelche Eisen in Felswände schlagen und an einem Seil entlangbaumeln, sondern eher gemäßigt) finde ich toll und auch ansonsten erlebe ich große Glücksmomente immer wieder beim einfachen Spazierengehen oder stundenlangen Schlendern am Strand.

Der Sohn sieht das anders, wie ich nun bei seiner ersten Bergbesteigung feststellen durfte. Die ersten 50 Meter war ich nur eine doofe Mama, dann eine superblöde Mama und etwas später, die gemeinste Mutter der Welt, eine Sklaventreiberin, eine, die nix besseres vorhat als ihr Kind den lieben langen Tag zu quälen. „Klar“, sagte ich zu Matheo, „ich hab die letzten Wochen nur damit zugebracht, nach möglichst qualvollen Bergrouten Ausschau zu halten, nur um den Spaß zu haben, dich leiden zu sehen!“ Die Ironie verstand er natürlich nicht, drohte mir sogleich mit einer Anzeige beim Jugendamt (spinnt der ?!), lief aber trotzdem mürrisch weiter. Sein Kumpel sah das ähnlich und so zooooog sich die geplante 1,5 Stunden-Tour bis wir knapp 2,5 Stunden später endlich die Berghütte erreichten.

DAS BESTE AM WANDERN LAUT MATHEO: die Wasserwanne!

Das Wetter war einfach nur phantastisch. Sonne pur, den ganzen Tag.

Der Weg nach oben führte jedoch selten in direkter Sonneneinstrahlung, sondern immer wieder durch Waldstücke mit viel Schatten und so fühlte ich mich safe, was das Thema Sonnenbrand betraf.

Oben angekommen spielten die Kids in den Wiesen, wir Mädels knallten uns auf eine Decke und genossen die Wärme, das Licht, das Leben. Sonne ist Leben, das weiß doch jeder. Ohne Sonne wären wir alle schon längst tot. Oder nicht?

Jetzt muss man dazu sagen, dass ich aus einer Familie komme, in der schon seit ich denken kann, ein Solarium im Keller steht. Meine Eltern stammen aus einer Generation, in der das Thema Sonnenbrand und Hautkrebs in keiner wirklichen Relation stand und auch zu meinen wilden Teenager-Zeiten war es weitaus cooler, sich mit diesem komischen Nußöl einzureiben (wisst ihr, was ich meine?) und in der prallen Hitze zu schmoren als in Tücher eingewickelt im Freibad untern Baum zu sitzen. Klar, benutzte ich auch Sonnencreme, aber das eher Alibi-mäßig, maximal um damit von irgendeinem Kerl, den ich toll fand, einmassiert zu werden. LSF 50 hatte das allerdings nie. Wer dazu gehören wollte, jedenfalls in meiner Clique, der war sportlich, schlank und superbraun.

Sonnenbrand gehörte früher zu meinem Leben, wie das Frühstücksei zum Sonntagsbrunch.

Auf meiner Haut befindet sich summasummarum jedenfalls mehr Quark als in meinem Magen, denn Quark esse ich nicht gern. Regelmäßig kam es vor, dass meine Mama mich nach einem Nachmittag im Freibad damit einschmieren musste, doch so schmerzhaft das alles auch war, so wenig dachten wir alle über das Thema Haukrebs nach. Es war damals einfach keines.

Auch nicht als ich mit meinem Papa beim Skifahren war. Nach einem ganzen Tag auf der Piste bildeten sich am Abend trotzdem ich mich eingecremt hatte, dicke Blasen im ganzen Gesicht. Als wäre es gestern gewesen, kann ich mich erinnern, wie der Arzt in seinem netten Akzent nur zu uns sagte: „Jo, des isch die Arrrlberrrrger Sonne.“

Nichts, kein Wort von Hautkrebsrisiko steigt mit jedem Sonnenbrand ins Unermessliche. Oder, das darf nie wieder passieren, sonst war´s das mit ihrer Tochter. Fahren Sie nur noch mit Gesichtsmaske – egal bei welchem Wetter. Nichts.

Als ich mit Anfang zwanzig für drei Wochen in Kenia war, schälte sich meine gesamte Haut sieben Mal. Ich fand das nicht schön, aber eigentlich nur deswegen nicht, weil ich am Ende käseweiß zu Hause ankam, die braunen Hautfetzen hatte in Afrika gelassen. Sorge wegen Hautkrebs? Pffft.

Mit dem Wissen selbst Mutter zu werden, änderte sich meine Einstellung ein wenig.

Sonnenbrand bei meinem eigenen Kind galt es unter allen Umständen zu vermeiden, das war mir sofort klar, dennoch wollte ich auch nicht in die immer größer werdende Hysterie mit einsteigen und Sonne einfach so verteufeln. Schließlich gibt es wie bei allem zwei Seiten und so darf nicht vergessen werden: Sonnenlicht ist unsere wichtigste Vitamin D-Quelle.

Ich suchte also nach einem Mittelweg und gehörte fortan zu den Müttern, dir ihr Kind zwar nicht in diese Ganzkörper-Badenazüge steckten,  dennoch achtete ich akribisch darauf, dass Matheo immer einen Hut trug, die meiste Zeit im Schatten saß und bei direkter Sonne gut eingecremt war. Vormittags und nachmittags durfte er aber auch einfach mal für eine Weile ganz ohne Sonnenschutz nach draussen, weil ich einen Vitamin D Mangel damit zu vermeiden versuchte.

Passagen wie diese:

„Hat die Haut genügend Zeit, sich langsam auf die Sonne einzustellen, so hat die Sonne fast keine negativen Auswirkungen mehr. Ein Zusammenhang der Sonne mit Hautkrebs konnte folgerichtig auch bisher nur bei sehr hoher Bestrahlung gezeigt werden. Bei guter Sonnengewöhnung und mäßiger Besonnung überwiegen die gesundheitlichen Vorteile in vielen Fällen.Dies betrifft nicht nur die Bildung von Vitamin D: Sonnenlicht hat zahlreiche positive physiologische Wirkungen. Warnungen vor Mittagssonne und der Rat zur Verwendung chemischer Lichtschutzmittel ist deshalb sowohl ernstzunehmen als auch kritisch zu betrachten. Vielmehr gilt es eine Balance zu finden, da ein Vermeiden der Sonne die Bildung von Vitamin D verhindert und so zur Entstehung diverser Krankheiten führt.“ (Quelle: http://www.vitamind.net/sonne)

Oder diese:

„Die diesbezügliche Berichterstattung war in den letzten Jahren leider wenig ausgewogen: Während eine regelrechte Angst vor der Sonne geschürt wurde, gerieten die vielen positiven Wirkungen des Sonnenlichts oftmals in den Hintergrund.Das hat leider dazu geführt, dass viele Menschen die Sonne eher meiden und übermäßig oft Sonnenschutzmittel verwenden. Diese filtern aber genau jene Wellenlängen heraus, die für eine Produktion von Vitamin D nötig wären.“ (Quelle: http://www.vitamind.net/sonne)

… haben mich bislang in meiner Meinung bestärkt, dass wie bei fast allem im Leben die „Dosis das Gift macht“ und ich deswegen richtig liege, wenn ich keine übertriebene Angst vor der Sonne habe, aber auch bei weitem nicht so lasch damit umgehe wie die Generationen vor mir.

Ausgerechnet während unseres Bergtour-Wochenendes hatte sich Matheo aber nun doch einen Sonnenbrand zugezogen. Genauso wie ich. Trotz megahohen LSF-Faktors hatte ein Samstag beim Wandern und ein Sonntag am See ausgereicht, um mit verbrannten Rücken nach München zurückkehren zu müssen. Natürlich mit jeder Menge Selbstvorwürfe im Gepäck und dementsprechend Gemosere vom Mann.

Hätte ich noch öfter cremen müssen? Doch lieber so einen Gummianzug kaufen? Wann genau war es passiert? Was hatte ich übersehen? Hatte ich die Sonne am Berg unterschätzt, obwohl wir doch so viel im Schatten liefen? Ist die Sonne gar nicht mehr so lieb wie ich immer dachte? Oder hatte ich schlicht nicht auf die richtige Dosis geachtet?

Während ich Matheo mit Quark einsalbte, dachte ich darüber nach, wie sehr man als Mama alles richtig machen will und trotzdem immer wieder an seine Grenzen stößt..

Letzte Woche wurde nun bei einem Mitglied unserer Familie die Diagnose „streuender Hautkrebs“ gestellt. Scheiße! Muss so schnell wie möglich operiert werden, da gibt es kein Vertun.

Laut DIESEM Arzt eine Spätfolge von zu viel Sonneneinstrahlung in der Jugend. Wie gesagt, früher wusste man da nicht so Bescheid und ihr könnt euch vorstellen, dass mein Kopf Achterbahn fährt, seit ebenfalls dieser Arzt meinte, man solle sich selbst und sein Kind heutzutage am besten IMMER mit Sunblocker einschmieren, NIEMALS ohne oder mit wenig Kleidung in die Sonne gehen und überhaupt direkte Sonne auf der Haut vermeiden… Schließlich sei nicht nur der Sonnenbrand gefährlich sei, sondern die Sonne generell.

Heißt das, dass meine gesamte Einstellung falsch ist?

Warum bin ich denn aber so viel glücklicher, wenn mich Sonnenstrahlen auf meiner Nase kitzeln? Mir die Sonne auf den Bauch scheint? Oder ich nur mit Bikini am Strand liege? Kann etwas das sich so richtig anfühlt, denn wirklich so falsch sein?

Die letzten Tage habe ich damit verbracht, zu googeln, was das Zeug hält und ehrlich gesagt verwirrt es mich. Ähnlich wie beim Thema Impfen spaltet sich die allgemeine Meinung.

Es gibt tatsächlich die, die behaupten, jedes Quantum  UV-Licht sei zu viel, während ein Artikel in der SZ  dann wieder eine ganz andere These beschreibt: „Wir verbringen so wenig Zeit in der Sonne, dass wir kaum noch die üblichen Schutzmechanismen gegen die UV-Strahlung ausbilden. Das rächt sich dann im Urlaub.“

Was also nun? Zu viel Sonne macht krank! Zu wenig Sonne aber auch.

Sonne KOMPLETT vermeiden? NUR noch mit Sunblocker aus dem Haus? Nur noch bei Dunkelheit das Haus verlassen?

Oder doch weiterhin den Mittelweg wählen wie ich das all die Jahre gemacht habe, einfach nur noch besser aufpassen, damit keine Verbrennung daraus wird. Aber hatte ich nicht besten Gewissens alles getan? Was, wenn es trotz aller Vorsicht doch wieder passiert?

Innerhalb unserer Familie und im Bekanntenkreis jedenfalls führte die Diagnose „streuender Hautkrebs“ bei einem Verwandten kombiniert mit Matheos aktuell zweitem Sonnenbrand (innerhalb von 9 Jahren) zu einer mittelschweren Diskussion und die meisten Stimmen gingen dahin, dass ich ALS GUTE MUTTER angehalten wäre, mit Matheo in Zukunft tatsächlich komplett auf Sonne zu verzichten bzw. ihn nur so dick eingeschmiert rauszulassen, dass keine UV-Strahlung auch nur der Hauch einer Chance hätte.

Was tun, wenn mir mein Bauchgefühl eben doch was ganz anderes sagt?!

Wie macht ihr das denn?

Bin für jede Meinung dankbar <3