Freiberuflich und schwanger – ein Plädoyer für mehr Toleranz

13. Juni 2015 , In: Tina , With: One Comment
0

Freiberuflich und schwanger sein passt in etwa so gut zusammen wie ein Vegetarier im Steak-House. Das ist zumindest mein Fazit – aktuell in der 29.Schwangerschaftswoche.

Mein ganzes Leben lang hab ich mich wohler dabei gefühlt, freiberuflich tätig zu sein. In Interviews oftmals betont, dass ein „9 to 5-Job“ nichts für mich wäre und ich es liebe, beruflich unabhängig und frei zu sein. Täglich neue Menschen um einen herum, keine Monotonie, keinen Urlaubsantrag den man ausfüllen und genehmigen lassen muss – jahrelang hatte ich ein Plädoyer auf meine Selbstständigkeit gehalten. Bis ich jetzt schwanger wurde.

Seitdem ich 18 bin arbeite ich als Model und Moderatorin. Kann gut davon leben, habe viele interessante und nette Menschen um mich herum und lerne permanent tolle Orte kennen. Und ich liebe meinen Job. Wahrscheinlich ist dies auch der Grund, warum ich eine Schwangerschaft ziemlich lange hinausgezögert habe. Da steh ich übrigens – wie ich jetzt bemerkt habe – nicht alleine da. Viele meiner Kolleginnen werden quasi „Last Minute“-schwanger. Nazan Eckes mit 38, Verena Wriedt ebenso mit 38, Johanna Klum ist mit 34 Jahren da noch vergleichsweise jung…

Und das hat auch einen Grund. Dass es als Schwangere ab einem gewissen Monat schwierig wird, für Fotoshootings gebucht zu werden, war mir natürlich klar. Wenn eine Hose nicht mehr zugeht, kann das selbst Photoshop nicht retten.

Aber alles andere sollte doch eigentlich kein Problem sein – dachte ich naiverweise. Nachdem ich vorhabe, nach der Geburt wieder für die Kunden tätig zu sein, führe ich jetzt ein paar Beispiele an, ohne konkrete Firmennamen zu nennen – ich hoffe ihr habt dafür Verständnis:)

Eines Tages kam der Anruf, ob ich eine Abendveranstaltung in München moderieren könne. Von 19 Uhr bis 1 oder 2 Uhr nachts. Leider sei das Budget nicht besonders hoch, aber sie würden sich so freuen, wenn ich das machen könne. Nachdem mir diese Firma während meines Studiums damals viele Aufträge besorgt hatte, hab ich nicht lange gezögert und zugesagt. Verbunden mit der sehr ehrlichen Aussage, dass ich ja im fünften Monat sei und man eventuell einen kleinen Bauch sehen könnte. Als Reaktion kam dann nur die Aussage: „Oh, da müssen wir schauen ob wir eine Schwangere Abends auf eine Bühne stellen können“. Ich meinte dann noch, dass es mir ja sehr gut gehen würde und ich auch so nicht vor 3 ins Bett gehe. Seitdem habe ich von dem Kunden nie wieder was gehört.

Bereits im März hatte mich eine PR-Firma aus München für eine Preisverleihung im Juni gebucht. Buchungsbestätigung war da, die Gage mit meiner Agentur abgesprochen. Alles fix. Bis herauskam, dass ich schwanger bin und ich daraufhin wieder „ausgebucht“ wurde. Zitat: Herrn XY ist es auch etwas zu riskant gewesen, da man nicht weiss ob, Gott behüte, bei einer Schwangerschaft, etwas Unerwartetes auftreten kann“. Natürlich kann es das. Aber ein Moderator kann auch seine Stimme verlieren (kommt öfters vor, als man denkt) oder mit einem Magen–Darm-Virus flachliegen. Wie immer im Leben: Es kann etwas passieren, muss aber nicht. Nur deshalb kategorisch ausgerechnet bei Schwangeren das Worst Scenario heraufzubeschwören, finde ich etwas übertrieben.

Von diesen Beispielen könnte ich jetzt noch viele mehr aufzählen, aber im Endeffekt geht es doch um Eins: Lasst doch die Schwangere selbst entscheiden, was sie sich zumutet, wann sie arbeiten möchte und auch wie lange. Es gibt sicherlich Schwangere, die sich lieber etwas zurücknehmen, ein klein wenig langsamer treten und diese Ruhe brauchen. Genauso gut gibt es aber auch Schwangere wie mich, die gerne arbeiten, um Spaß zu haben, Geld zu verdienen und sich vielleicht auch abzulenken, damit die 40 Wochen schneller vergehen. Genauso gut darf auch jede Frau selbst entscheiden, wie schnell sie nach der Geburt wieder loslegen möchte. Toleranz ist hier das Stichwort. Genauso gut wie es Frauen gibt, die sich zwei Jahre lang ausschließlich ihrem Nachwuchs widmen möchten, gibt es Frauen, die nach ein paar Wochen wieder beruflich loslegen möchten. Jede Frau muss den richtigen Weg für sich finden, um sowohl eine glückliche Mutter als auch ein erfüllter Mensch zu werden. Und genauso wie meine Jobs sich Tag für Tag unterscheiden, sind auch Mütter unterschiedlich. Wir möchten nur nicht von außen aufoktroyiert bekommen, wann wir arbeiten, wie lange und wie schnell nach der Geburt wieder. Und glaubt mir eins: Schwangere geben sich extra Mühe und sind extra engagiert, weil wir permanent das Gefühl haben, dem Kunden etwas beweisen zu müssen. Dass eine Schwangere eben mit einer Nicht-Schwangeren mithalten kann. Was im Übrigen vollkommener Quatsch ist, aber dieses Gefühl lässt sich halt nicht abstellen.

Mein Highlight war übrigens die Moderation des Kindermedienpreises, der jetzt in rund 14 Tagen stattfindet. Als die PR-Dame erfuhr, dass ich schwanger bin, kam als Reaktion ein einziger Satz: „Ui toll, Tina soll bitte ein Kleid anziehen, damit wir alle den Babybauch sehen können!“ Na bitte, es geht doch!

 

 

 

 

  1. Avatar
    • Katharina
    • 17. Oktober 2015
    Antworten

    Und lass dir eins gesagt sein: nach der Geburt wird es leider auch nicht besser. Es ist zum Kotzen. Ich habe zwei feste Kunden verloren. Und wenn du privat Krankenversichert bist, drücke ich dir die Daumen, dass du ein Krankentagegeld dabei hast, denn bezahlten Mutterschutz gibt es auch nicht. Ich überlege mich jetzt nach dem zweiten Kind fest anstellen zu lassen, denn die Lage wird nicht besser werden…

Leave a Comment

Tina und Meike

Als Mütter wissen wir: Den geraden Weg gibt es nicht! Getreu unserem Motto „Wenn´s durch den Haupteingang nicht geht, dann nehmen wir eben die Seitentür“ suchen wir nach (technischen) Gadgets und anderen erzieherischen Überlebenshilfen und nehmen Euch ganz nebenbei mit auf eine humorvolle Reise durch unser Seelenleben. Erziehungsvorsprung durch (Überlebens-)Technik? Lasst es uns herausfinden!

Instagram